Erstrangiertes Projekt von Certov, Winkler + Ruck Architekten aus Wien

Transparente Fuge

Am Karlsplatz soll in den nächsten Jahren der erste Kulturbau Wiens im 21. Jahrhundert errichtet werden. Nun ist der Wettbewerb entschieden. Unter den sechs ausgezeichneten Projekten finden sich auch zwei Zürcher Büros. Gewonnen haben Certov, Winkler + Ruck Architekten aus Wien.

Am Karlsplatz soll in den nächsten Jahren der erste Kulturbau Wiens im 21. Jahrhundert errichtet werden. Unter dem Label «Wien Museum NEU» ist der Umbau und die Erweiterung des bestehenden Wien Museums geplant, das im «Haerdtl-Bau» – einem klassisch modernen Museumsbau aus der Nachkriegszeit – untergebracht ist. Das Wien Museum präsentiert sich als «urbanes Universalmuseum»: das Spektrum der Ausstellungen reicht von Stadtgeschichte über Kunst bis zu Mode und Alltagskultur, von den Anfängen der Besiedelung bis zur Gegenwart. Seit längerer Zeit schon litt das Museum unter einer «akuten Raumnot», 2013 entschied man sich für eine bauliche Erweiterung.

Am international ausgeschriebenen Wettbewerb beteiligten sich 274 Architekturbüros, vierzehn wurden zur zweiten Stufe eingeladen. Nun hat sich das Preisgericht unter dem Vorsitz von Emanuel Christ entschieden: Das Projekt von Certov, Winkler + Ruck Architekten aus Wien belegt den ersten Rang. «Es ist ein ebenso naheliegender wie bestechender Gedanke», schreibt das Preisgericht zu ihrem Entwurf: «Die Erweiterung für das Museum kommt aufs Dach.» Die Architekten würden Haerdtls Museumsbau als Sockel und architektonischen Ausgangspunkt für die Erweiterung auf dem Dach nehmen, so die Jury. Dabei sei die Proportionierung der Aufstockung gelungen gelöst und schaffe ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Bestand und Neubau.

Der entscheidende Punkt ist jedoch der Raum zwischen Alt- und Neubau. Für den Jury-Vorsitzenden Christ ist dieser Raum «wie eine transparente Fuge zwischen Alt und Neu inszeniert»: «Als Besucher nimmt man unweigerlich eine Perspektive in der Schwebe ein und kann auf alles, was man vom Wien Museum aus erblickt, zurückblicken. Das Wien Museum tritt buchstäblich in einen offenen Dialog mit der Stadt. Eine so schöne, wie funktionell sinnvolle gestalterische Geste.» Matti Bunzl, der Direktor des Wien Museums, zeigte sich «überglücklich» über die Entscheidung. Das Projekt des Architektenteams Winkler, Ruck und Certov ergänze das Museum auf wunderbare Weise und setze den Haerdtl-Bau neu in Szene. Mit der neuen Eingangsfront und dem sich zum Platz öffnenden Café schaffe es eine Architektur der Begegnung.

Unter den sechs ausgezeichneten Projekten finden sich auch zwei Zürcher Büros: Ilg Santer Architekten belegen mit einer auffälligen Beton-Pyramide den dritten Platz. Die Jury erkannte darin einen «Solitär auf dem Karlsplatz, der sich zugleich respektvoll einfügt und ein überraschendes, einmaliges Ereignis schafft». Erhebliche Bedenken gab es aber in Bezug auf den Museumsbetrieb und die Innenräume, die dem formalen Anspruch des Äusseren nicht gerecht würden.

Fiechter & Salzmann wurden mit einer Anerkennung ausgezeichnet: Auch ihr Projekt sieht eine Erweiterung des Haerdtl-Baus in die Höhe vor. Der «bestechende» und «äußerst stimmig proportionierte» Aufbau mache aus dem neuen Wien Museum einen Kulturbau mit angemessener Repräsentanz, schreibt die Jury. Allerdings bekundete sie Mühe mit dem vom Fiechter & Salzmann vorgeschlagenen zentralen «Atriumraum». Er wirke historisierend und vermittle nicht die vom Wien Museum gewünschte zeitgemäße und niederschwellige Atmosphäre.

Wien Museum NEU
Offener, zweistufiger, anonymer Realisierungswettbewerb für die Wien Museum Projekt GmbH
Fachjury: Emanuel Christ, Bernardo Bader, Elke Delugan-Meissl, Anna Detzlhofer, Franz Kobermaier, Walter Krauss, Erich Raith, Werner Schuster, Karin Triendl, Günter Zamp-Kelp.
– 1. Preis: Winkler + Ruck Architekten, Klagenfurt, mit Ferdinand Certov, Graz
– 2. Preis: Kim Nalleweg Architekten, Berlin
– 3. Preis: Ilg Santer Architekten, Zürich
– Anerkennung: Juri Troy Architects, Wien
– Anerkennung: Fiechter & Salzmann Architekten, Zürich
– Anerkennung: Querkraft Architekten, Wien

Ausstellung aller 274 Wettbewerbsprojekte bis zum 7. Februar 2016 im Wien Museum am Karlsplatz.

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