Ein Blockrand soll es sein
Auf dem Baufeld 5 in Brünnen versucht man zu retten, was noch zu retten ist: atelier ww Architekten gewinnen mit einem Projekt, das die städtebaulichen Vorgaben vollständig übernimmt.
Der vom Stadtplanungsamt Bern gefertigte städtebauliche Entwurf für Brünnen mutet an wie ein historisches Dokument: handgezeichnet und mit Farbstiften koloriert, erzählt er vom Ideal der «klassischen Stadt in zeitgemässer Form», von den Plänen, auf der grünen Wiese im Westen Berns eine «Blockrandstadt wie aus der Gründerzeit» entstehen zu lassen. Dass wir uns im 21. Jahrhundert befinden, darauf weist allerdings nicht nur das Shopping- und Freizeitcenter Westside hin, dessen versprengte Formen freilich auch schon historisch anmuten. Es sind vor allem die Grösse der Baufelder und deren einheitliche Bebauung durch einzelne Investoren, welche unverkennbarer Ausdruck heutiger ökonomischer Bedingungen sind. Dass sich die versprochenen «urbanen Strassen und Plätze» in Brünnen nur mit einigem Wohlwollen erkennen lassen, liegt schliesslich auch an den bis dato fertig gestellten Bauten, die sich dem einfachen bis banalen städtebaulichen Gesamtkonzept nur bedingt anpassen oder sich ganz verweigern.
Mit dem Wettbewerb für das zentral gelegene Baufeld 5 wollte man offenbar retten, was noch zu retten ist: für einmal - dies zeigt die Rangierung, die erst auf dem 6. Rang eine Abweichung zuliess – sollte es ein richtiger Blockrand sein. Aus den 66 eingereichten Arbeiten wählte die Jury das Projekt von atelier ww auf den ersten Rang. Warum? Einiges wird kritisiert: die architektonische Ausformulierung der gestaffelten Längsseiten, der fehlende öffentliche Zugang zum Hof, schliesslich auch die Kosten (welche aber «ohne markante Veränderung des architektonischen Konzepts» optimiert werden könnten). Lobend erwähnt die Jury neben der «hohen Kohärenz in vielen räumlichen, funktionalen und konstruktiven Gesamt- und Detailfragen» vor allem die Wohnungsgrundrisse: Im Regeltyp wird die Wohnküche von einer strassen- und einer hofseitigen Loggia eingefasst, was eine «allseitige Orientierung mit hoher Belichtungsqualität» ermöglicht. Ausschlaggebend für den ersten Rang war aber wohl, was gleich im ersten Satz des Projektbeschriebs festgehalten wird: «Das Projekt übernimmt das Konzept und die vorgegebenen Randbedingungen der Gesamtanlage vollständig mit einer geschlossenen Blockrandbebauung, d.h. mit öffentlichen Strassenräumen und einem Hofraum.»
Wohnüberbauung Brünnen, Baufeld 5
Offener einstufiger Projektwettbewerb für Bernasconi Liegenschaften, Olten, und Schwab Architektur und Liegenschaften, Olten
Fachjury: Ueli Marbach, Zita Cotti, Beatrice Friedli, Claude Rykart, Mark Werren, Rolf Mettauer
– 1. Rang: atelier ww Architekten, Zürich
– 2. Rang: Müller Sigrist Architekten, Zürich
– 3. Rang: Stücheli Architekten, Zürich
– 4. Rang: Bauart Architekten und Planer, Bern, und Urbanoffice, Amsterdam
– 5. Rang: Oliv Brunner Volk Architekten, Zürich
– 6. Rang: Froelich & Hsu Architekten, Zürich