Siegerprojekt von Bearth & Deplazes: mehr Land Art als ein Werkhof Fotos: Bearth & Deplazes

Dunkle Kammer auf 2300 Metern

Der Kanton Graubünden baut einen Werkhof auf dem Berninapass. Bearth & Deplazes gewinnen den Wettbewerb mit einem «landschaftlichen» Projekt.

Wir sind am Berninapass, in der Nähe des Hospiz, also auf einer Höhe von 2300 Metern über Meer. Hier, auf einem kleinen Abstellplatz, will der Kanton Graubünden einen «Unterhaltsstützpunkt» bauen. Die neueste Geschichte des Passes zeigt: offene Passstrassen sind keine Selbstverständlichkeit. Bis 1965 war die Kantonsstrasse, die vom Engadin ins Puschlav führt, im Winter geschlossen – man hatte ja noch die Rhätische Bahn. Die Gemeinden Brusio und Poschiavo durften seither die Strasse räumen und offen halten, der Kanton übernahm die Kosten. Erst 2005 stellte die Region «Val Poschiavo» erfolgreich ein Gesuch, damit die ganzjährige Offenhaltung des Berninapass anerkannt ist. Seit 2007 ist nun das Kantonale Tiefbaumt für die Berninapass-Strasse zuständig.
Die bestehenden Bauten für den Unterhalt sind in privater Hand und zu klein. Für das Tiefbaumt, so steht es im Wettbewerbsprogramm, sei es aus operativen Gründen zentral, dass auf der Passhöhe optimale Betriebsräume, vorzugsweise im Eigentum und damit langfristig, zur Verfügung stehen.

Den Wettbewerb haben Bearth & Deplazes gewonnen. Sie erkannten zwei Dinge richtig: die Landschaft ist sensibel und touristisch genutzt. Darum gleicht ihr Zweckbau eher einem Stück «Land Art» als einem Werkhof und zweitens machen sie ihren frei stehenden Siloturm öffentlich zugänglich. In einem fensterlosen Raum zuoberst im Turm, Camera Obscura genannt, soll – als kleine touristische Attraktion – einzig durch ein Loch in der Dachspitze Licht auf eine konkave, horizontal liegende Leinwand fallen und damit das Bild der Landschaft spiegeln. «Die Integration einer zusätzlichen touristischen Nutzung zeigt einen interessanten Ansatz, schreibt die Jury und fügt aber warnend an, sie sei «noch zu diskutieren».

Die gekrümmte Form des Werkhofs nutzt geschickt das Gelände aus, damit möglichst wenig Fels weggesprengt oder Aushub ausgegraben werden muss. Vielmehr rechnen die Architekten mit 2500 Kubikmeter lokalem Schüttmaterial, das sie für Überdeckung benötigen – «ein in die Topografie eingebetteter und darin versteckter Raum», wie sie selbst schreiben. Ein Empfehlung der Jury für die Weiterbearbeitung offenbart dann doch einen Konflikt, der die schöne Vermischung eines Zweckbaus mit einem Stück Landschaftskunst schafft: «Die Grundrisseinteilung mit den aufgefächerten Räumen und den damit einhergehenden Mehrflächen sowie langen Erschliessungswegen muss optimiert werden.» Keine leichte Aufgabe.

Neubau Unterhaltsstützpunkt Bernina, Poschiavo

Projektwettbewerb im selektiven Verfahren mit sechs Büros (60 Bewerbungen) für den Kanton Graubünden
Fachpreisrichter: Markus Dünner, Christian Auer, Quintus Miller, Patrizia Guggenheim
– 1. Rang: Bearth & Deplazes Architekten, Chur
– 2. Rang: Pablo Horváth, Chur
– 3. Rang: von Ballmoos Krucker Architekten, Zürich und Fanzun, Chur
Weitere Teilnehmer:
– Caruso St John Architects, Zürich
– Penzel Valier, Zürich
– Iseppi-Kurath, Thusis

Ausstellung
Vom 2. bis 5. November 2016 (Mi 17–19 Uhr, So–Sa 16–19 Uhr), im Centro Tecnologico del Legno, Vial da la Stazion 282, Poschiavo

Ausführlicher Kommentar zum Wettbewerb in hochparterre.wettbewerbe 5, das am 16. Dezember 2016 erscheint.

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