Zerfreila, bevor das Dorf im Stausee verschwunden ist.

Wilde Wasser, starke Mauern

Die 3. Uno-Weltwasserwoche findet in Scuol im Unterengadin statt. Köbi Gantenbein sprach über die Geschichte der Staumauer und des Kraftwerks. Er griff tief in die Kiste seiner Biografie und er sang ein Requiem für die Fremdarbeiter, die beim Kraftwerkbauen ums Leben kamen.

Von der Musikmaschine klingen «Las Mintinedas» von der CD La Grischa.Die Leute von Marmorera im Oberhalbstein versammelten sich am 8. Mai 1954 ein letztes Mal in der Kirche ihres Dorfes. Sie sangen Las Mintinedas, dieses Bitt- und Klagelied. Wir haben es heutig singen gehört von Corin Curschellas. Las Mintinedas verklangen – Marmorera ging am nächsten Tag unter. Es ruht nun am Boden des Sees zwischen Savognin und Bivio. Aus seinem Requiem holt die Stadt Zürich seit sechzig Jahren Strom.Als Kind lebte ich in Samedan im Oberengadin, meine Familie aber kommt aus dem Prättigau. Hier wohnten meine Grosseltern, zu denen ich gerne zu Besuch fuhr. Meistens mit der Eisenbahn durch den Albulatunnel, weiter über Filisur und Davos und dann hinab nach Jenaz. Grossartig war aber, wenn mein Götti uns besuchte und mich in seinen knallroten VW Käfer setzte. Wir fuhren über den Julier. Nur er und ich. Beim Marmorera See gibt es einen Kiosk. Dort hielten wir an. Wir tranken Bergamotte oder Orangina. Wir assen Mandel- und Nussgipfel. Wir schauten über den See, wir spazierten über den Damm und mein Götti erzählte mir, wie das Dorf Marmorera im See hinter dem mächtigen Erdwall untergegangen war.Ich frug ihn, was denn mit den Leuten, den Kühen, den Hunden und Katzen passiert sei. Er zeigte auf die Häuser oben am Hang: Alle sind gezügelt, dort hinauf oder fort ins Unterland. Sie erhielten Kaltundwarmwasser, eine elektrische Heizung und viel Geld. Vielen waren froh und hatten Freude an den neuen Küchen, der Badewanne, der Waschmaschine, dem Kühlschrank, einige hatten nun sogar eine Garage und ein Auto.Ihr Fortschrittschicksal hat mich als Bub immer wieder beschäftigt. Ich stellte mir vor, wie es sein würde, wenn meine Eltern, mein Bruder Daniel und ich fort müssten von unserem Haus an der Bahnhoftrasse. Käme Silveli, mein Kindergartenschatz, mit uns oder Mario, mein Freund – wäre er ...
Wilde Wasser, starke Mauern

Die 3. Uno-Weltwasserwoche findet in Scuol im Unterengadin statt. Köbi Gantenbein sprach über die Geschichte der Staumauer und des Kraftwerks. Er griff tief in die Kiste seiner Biografie und er sang ein Requiem für die Fremdarbeiter, die beim Kraftwerkbauen ums Leben kamen.

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