Im Beitrag der italienisch stämmigen Bewegung Slow Food ist vom Expo-Rummel wenig zu spüren. Fotos: Daniel Bernet

Fressen und gefressen werden

Die Expo in Mailand? Eine zynische Fressmeile, findet unser Redaktor. Nationen sind nur die Vorspeise, Grosskonzerne das Hauptgericht. Schliesslich stösst er doch noch auf zwei Orte, die ihn milde stimmen.

Einer von neun Menschen hungert. Das ist das erste, das ich hinter dem Expo-Eingang serviert bekomme. Er folgen viele weitere Zahlen zum diesjährigen Motto Ernährung: Die Schwerpunktausstellung Getreide teilt mir etwa mit, dass Pommes Frites einen Durchmesser von 5 bis 10 mm haben und am besten werden, wenn man sie bei 120 bis 160° 8 bis 10 Minuten frittiert und dann noch etwas bei 175 bis 190°. In Belgien lerne ich, dass das Land 35 verschiedene Pommes-Saucen zu bieten habe und der Belgier im Schnitt 100 Liter Bier pro Jahr trinke – «small country, great food». In der Schweiz geht es ja bekanntlich für einmal nicht um Quali-, sondern um Quantität: Unter anderem 840’000 Apfelringli stapeln sich dort und Syngenta und Nestlé dürfen stolz zeigen, wie sie die Welt retten. So ist das dieses Jahr auf der Expo: Während man vor dem ohrenbetäubenden Folklorelärm aus dem Iran flieht (erzeugt von einer Art Dudelsack aus einer Schweinsblase, die komischerweise mit einem Giraffenfellmuster bemalt ist), und sich fragt: Pastel de Chocio in Chile oder Šmorn in Slovenien? wird man von den globalen Riesen berieselt. Gut, ich weiss auch nicht, wie sich die von Kollegen vermissten Kleinbauern auf dieser Mega-Kirmes präsentieren sollten. Und bombastische Selbstdarstellung gehört schon seit London 1851 zur Weltausstellung dazu wie die Sauce zur Pommes. Was die Expo 2015 aber zeigt: Nationen verhalten sich zu Grosskonzernen wie die Vor- zur Hauptspeise. Schön zeigt das die Schwerpunktschau Kaffee, ein Illy-Pavillon in der Grösse einer Kleinstadt, in dem die einzelnen Kaffee-Staaten in je einem fensterlosen Zimmer ihre schönen Strände zeigen dürfen. Illy liefert die Erklärung gleich mit: 109 Milliarden Dollar sei der globale Kaffee-Mark wert. Und serviert Cappuccino für 1 Euro 30 Cent, genossen mit Blick auf Landschafts-Fotos im künstlerischen Schwarz-Weiss – Ausbeutung ist schön ...
Fressen und gefressen werden

Die Expo in Mailand? Eine zynische Fressmeile, findet unser Redaktor. Nationen sind nur die Vorspeise, Grosskonzerne das Hauptgericht. Schliesslich stösst er doch noch auf zwei Orte, die ihn milde stimmen.

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