Köbi Gantenbein, Hochparterres Chefredaktor.

Lohndumping gegen Baukultur

Im Kanton Zürich wird am 28. Februar auch über die Initiative gegen Lohndumping abgestimmt. Sie ist wirtschaftlich und sozial nötig. Ein Ja zur Inititative ist auch ein Ja zur Baukltur. Darum: Architektinnen, Ingenieure, Planer aus Zürich: «Ja stimmen!»


Im grossen Getöse um die Durchsetzungsinitiative der SVP, die aus der Schweiz einen Apartheid-Staat machen will und im Kampf von Heini, dem Schmied von Göschenen, und allen Vernünftigen, gegen eine 5. Röhre durch den Gotthard, steht eine Initiative der Gewerkschaft Unia im Kanton Zürich etwas am Rand. Sie muss ans Licht, denn die Gewerkschaft will, unterstützt von einem Komitee aus Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern aus der Baubranche ein drängendes Problem abstellen: Lohndumping.

In der Schweiz liegt die Festlegung der Lohn- und Arbeitsbedingungen in der Hoheit des Bundes. Hier ändert die Initiative nichts. Aber die Kantone regeln den Vollzug, also die Einhaltung, der nationalen Gesetzgebung. Hier setzt die Initiative an und schafft für den Kanton Zürich eine neue Möglichkeit, bei Lohndumping direkt und rechtzeitig einzugreifen.

Kurz zusammengefasst ermöglich die Initiative, dass wenn ein Verdacht bei der Paritätischen Berufskommission (PBK) eingeht - und die PBK diesen als begründet erachtet -, der Kanton neu anordnet, dass die betroffenen Arbeiten eingestellt werden. Dann bleiben die entsprechenden Arbeiten so lange eingestellt, bis die Einhaltung der minimalen Lohn- und Arbeitsbedingungen sichergestellt ist, d.h. sichergestellt ist, dass die Arbeiter zu ihren korrekten Löhnen kommen. Der Rest der Baustelle läuft während dieser Zeit selbstverständlich weiter.

Die Lohndumping-Initiative nimmt damit die fehlbaren Unternehmen in die Pflicht, schnell zu handeln, weil es  dank der temporären Arbeitseinstellung nicht mehr attraktiv ist, auf Zeit zu spielen und Bussen und Strafen ins Geschäftsmodell mit einzubeziehen.

Diese Initiative stellt Lohndumping, ein zunehmendes wirtschaftliches Problem auf den Baustellen, ab – alle Unternehmen, die sich an die Regeln halten werden wirtschaftlich benachteiligt; sie bekämpft nicht nur einen sozialen Skandal – Ausbeutung von Zeitarbeitern aus Osteuropa hat keinen Platz auf Schweizer Baustellen. Diese Initiative braucht auch aus Gründen der Baukultur ein «Ja».


Denn Baukultur muss mehr sein als vernünftige Planung, umsichtiger Umfang mit Formen und Figuren und ein Dienst der Architektin an der Schönheit nach den Prinzipien der venustas und der firmitas. Baukultur muss sich auch um die handfesten Produktionsbedingungen auf den Baustellen interessieren. Zur Baukultur in der Schweiz gehört der hohe Standard an wirtschaftlicher, sozialer und persönlicher Sicherung auf dem Bau, die Arbeiter in teils lebhaftem Streit von Arbeitgebern errungen und zu Standards gemacht haben, von der alle Beteiligten profitieren.

Architektinnen, Planer, Ingenieure, Bauherren sind die Garanten von Baukultur. Die Initiative braucht und verdient ihr herzhaftes und überzeugtes «Ja». Hochparterre auf jeden Fall ist Mitglied im Arbeitgeber-Komitee «Stopp Lohndumping».



Hinweis: Anja Conzett, Hochparterres Kolumnistin, hat im Rotpunkt Verlag ein Reportagebuch zum Phänomen des Lohndumping und seinen Ursachen auf Baustellen im Grossraum Zürich geschrieben. Sie bündelt Fakten und lässt zentrale Akteure aus dem Baugewerbe – Arbeiter, Kontrolleure, Bauunternehmer, Bauherren. Sie stellt detailliert die Wege und Schliche vor, auf denen Unternehmer zum Schaden ihrer Konkurrenten und Arbeiter, mit Löhnen betrügen. Spektakulär im Buch ist ein «Salongespräch» zwischen den Unia-Gewerkschafter Nico Lutz und Daniel Lehmann, dem Geschäftsführer der Baumeister. Zwei, die sich für gewöhnlich nichts schenken, werden sich in Sachen Lohndumping einig. Schön ist die Bilderstrecke aus Baustellen, die Stefan Kiss beigesteuert hat.


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Kommentare

Wiederkehr 19.02.2016 22:25
Verhältnismässigkeit. Kaum ein Begriff erfreut sich im Vorfeld der Abstimmungen vom 28. Februar so grosser Beliebtheit, auch auf linker Seite. Umso überraschender, dass die Unia ausgerechnet in ihrer eigenen kantonalen Volksinitiative nichts davon wissen will. Im Gegenteil: Die Lohndumping-Initiative verletzt das Gebot der Verhältnismässigkeit aufs gröbste. Ginge es nach dem Willen der Initianten, dann soll künftig ein blosser Verdacht auf Lohndumping ausreichen, um ganze Branchen lahmzulegen. Und dies unter Umgehung des bis anhin bewährten Modells der Schweizer Sozialpartnerschaft mit den funktionierenden Kontrollorganen. Dieser Mechanismus, der unter dem Namen „Kantonale Volksinitiative zur Durchsetzung der minimalen Lohn- und Arbeitsbedingungen“ daherkommt, erinnert an französische Verhältnisse, wo die Gewerkschaften übermächtig, die Arbeitslosigkeit, insbesondere unter Jugendlichen, indessen massiv ist. Als Unternehmer votiere ich daher mit Überzeugung gegen diese unverhältnismässige Initiative der Unia
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