Der Sweater «Study of the Impossible» von Bobby Kolade und Manu Washaus zeigt eine eingestürzte Textilfabrik in Bangladesh.

Modesünden

Heute Abend eröffnet die Ausstellung «Fast Fashion. Die Schattenseiten der Mode» im Textilmuseum St. Gallen. Sie beleuchtet die Hintergründe der globalisierten Textilwirtschaft.

Heute Abend eröffnet die Ausstellung «Fast Fashion. Die Schattenseiten der Mode» im Textilmuseum St. Gallen. Sie beleuchtet die Hintergründe der globalisierten Textilwirtschaft und befasst sich mit den Produktionsmechanismen, wirtschaftlichen und sozialen Aspekten, aber auch mit Umweltfragen. Die Schau wurde vom Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg konzipiert und vom Textilmuseum St.Gallen, wo sie vom 26. Oktober 2016 bis zum 5. Juni 2017 zu sehen sein wird, für die Schweiz adaptiert. 

Der Begriff «Fast Fashion» bezeichnet eine Unternehmensstrategie, deren Ziel es ist, in immer kürzeren Abständen neue Mode in die Geschäfte zu bringen. Klassische Modesegmente wie Haute Couture, Prêt-à-porter und mittelpreisige Konfektionsware beschränken sich auf verhältissmässig wenige Kollektionen pro Jahr, wohingegen Billiglabel im gleichen Zeitraum bis zu zwölf und mehr Kollektionen lancieren. Profitieren die Konsumenten und der Handel von der massenhaft zu Schnäppchenpreisen auf den Markt gebrachten Mode, zahlen viele der am Produktionsprozess Beteiligten einen hohen Preis: Lange Arbeitstage bei minimalem Lohn bestimmen das Leben der Näher und Textilarbeiterinnen, die die Billigmode unter teilweise desaströsen Bedingungen produzieren. Es fehlt an sozialer Absicherung und Bildungsmöglichkeiten, Gesundheits- und Umweltschäden sind die Folge dieser rücksichtslos auf Gewinnmaximierung ausgelegten Unternehmenspolitik.

Als Reaktion auf die Missstände der Fast Fashion, die nach dem verheerenden Einsturz der Textilfabrik Rana Plaza 2013 in Bangladesch zunehmend auch in den Medien thematisiert werden, formierte sich in den vergangenen Jahren die Slow Fashion-Bewegung. Bei näherer Betrachtung zeigt sich jedoch, dass die komplexe globale Problematik einfachen und schnellen Lösungsansätzen entgegensteht. Wie die Direktorin des Textilmuseums St. Gallen, Michaela Reichel, anmerkt, ist das Wissen um die Probleme der Fast Fashion in Folge der zahlreichen Medienberichte oder durch Dokumentarfilme in den vergangenen Jahren gewachsen. Die Verflechtungen der globalisierten Textilwirtschaft sind jedoch zu komplex, um einfache Lösungen wie Produktempfehlungen oder Handlungsanweisungen zuzulassen.


Die Ausstellung beleuchtet die Hintergründe der Fast Fashion und hinterfragt die Verantwortung der Konsumenten, deren Kaufverhalten das System massgeblich stützt. Anhand von sechs Stationen werden die Themenkomplexe Konsum, Ökonomie und Ökologie behandelt. Den Anfang macht «Fashion & Victims». In selbstgedrehten Filmen etwa präsentieren überwiegend jugendliche Käufer die Beute ihrer Shoppingaktionen. Der zweite Schwerpunkt lautet «Mangel & Überfluss». Auf eine Hohlkehle, wie sie auch für Modefotografien verwendet wird, ist der Film Unravel der indischen Filmemacherin Meghna Gupta zu sehen. Die Arbeit setzt sich, ebenso wie die Fotografien Clothing recycled des englischen Dokumentarfotografen Tim Mitchell, mit der Verarbeitung von Altkleidung zu Notdecken im indischen Panipat auseinander. Das Thema Ökonomie findet unter dem Titel «Lohn & Gewinn» auf Schaufenstern seine Fortsetzung mit einer weiteren Arbeit von Taslima Akhter sowie einem Filmzusammenschnitt über die Situation der Textilarbeiter in der Türkei, in Bulgarien und Marokko. Neben den Arbeitsbedingungen wird der verheerende, nicht Existenz-sichernde Lohn thematisiert, dessen Kosten im Allgemeinen maximal ein bis zwei Prozent des Endpreises ausmachen. Der weiteres grosses Thema sind «Chemikalien & ökologischer Fußabdruck». Eine Video-Perfomance der St. Galler Künstlerin Andrea Vogel, die sich in einem Kleid aus Müllsäcken in einer ausgetrockneten Brunnenanlage postiert, thematisiert die verheerenden ökologischen Folgen der Billigmode.

Die Ausstellung endet mit einer Installation zum Thema Slow Fashion. Mit spitzer Feder verweist der Schweizer Künstler Ruedi Widmer in eigens für die Schau konzipierten Cartoons auf die Tücken, denen sich der verantwortungsbewusste Konsument beim Kleiderkauf gegenübersieht. Zu empfehlen ist in dem Zusammenhang der Film «The True Cost», den das Museum in Zusammenarbeit mit dem «Kinok» in der Lokremise St.Gallen am Dienstag, 10. Januar um 18.45 Uhr und am Samstag, 21. Januar um 15 Uhr zeigt.

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