Vitra schöpft aus dem Stilleben

Am Salone

Schon ist er wieder Geschichte: Am Sonntag schloss der Salone Internazionale del Mobile in Milano seine Tore. Der Grossanlass bietet jedes Jahr Gelegenheit, den Stand der Dinge im Möbeldesign zu überprüfen.

Die Messe im ausserhalb der Stadt gelegenen Rho Pero stellt dabei nur einen der Pflichttermine. Die Showrooms rund um die Brera und dem Dom locken mit opulenten Inszenierungen. Und ganze Strassenzüge in Ventura Lambrate oder in der Zona Tortona warten auf Neugierige.
Weglassen ist Pflicht. Die gesammelten Eindrücke bleiben notwendigerweise Fragment. Trotzdem sticht in der Masse folgendes ins Auge: Gedeckte Farben. Materialmix. Natürliche Materialien. Leder, vielfältig bearbeitet. Helles oder mit Primärfarben eingelassenes Sperrholz. Kupfer, mundgeblasenes Glas. Strukturierte Textilien. Als würde man dem Tischler über die Schulter blicken. Der Blick in die Werkstatt haben auch die Schulen aufgenommen, die sich in Ventura Lambrate präsentieren. Zumindest diejenigen, die nicht mit einer Auswahl von einzelnen Semesterprojekten aufwarten und so tun, als würden die Jungdesigner bereits auf der Messe ihre Entwürfe präsentieren. Nein, es geht auch anders. Zum Beispiel die Royal Academy of Art aus Den Haag, die eine Produktionslinie führte, oder die FHNW, die ihre Installation vom letzten Designers' Saturday wieder aufnahm. Material formen, eine mögliche Definition von Design. Dem Druck, Produkte zu zeigen, die sich noch nicht in der Serie bewähren mussten, entging auch die Genfer HEAD: mit einer berückenden Filminstallation mit dem Titel «Think Twice» über das Werk von Ray und Charles Eames zeigt Alexandra Midal und ihre Studierenden, dass Design in erster Linie Neugier auf die Welt ist.
Die Neugier auf den Alltag zeigt sich in kleineren Projekten, wie sie etwa Big- Game mit ihrer Kollektion Everyday Objects vorstellte. Auf handwerklich höchster Ebene ausgeführt, tun das auch die  Entwürfe von Philippe Nigro für die Home Collection  von Hermès. Inszeniert sind sie im Circolo Philologico - in kleinen, übereinandergestapelten weissen Häuschen, als hätten sie sich auf dem Vitra Campus umgesehen.

Sowieso: Inszenierungen sind zentral. Dem Möbel allein wird längst nicht mehr überall vertraut. Arper auf seinem überraschend grosszügigen Stand lässt Pflanzen wuchern, Vitra besticht mit Ensembles, die Stilleben gleich kommen und lässt in einer alten Modelleisenbahn die gesamte Mini-Kollektion um einen Eames Chair kreisen, und Cassina kombiniert afrikanische Skulpturen mit ausgerahmten Porträts auf ihren Kommoden - das bürgerliche Interieur erfindet sich stets wieder neu. Dass es das alle Jahre wieder tut, darüber vergeht das Staunen nie.

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