120 Meter Sichtbeton mitten in der Stadt Zürich. Mut oder Zumutung? Fotos: Antje Reineck

Übeltäterei

120 Meter Sichtbeton mitten in der Stadt Zürich. Mut oder Zumutung? Psychoanalytiker Olaf Knellessen zur Kontroverse über den neuen Getreidespeicher.

«Schaut nicht weg», war in grossen, leuchtenden Lettern auf dem Swissmill-Tower zu lesen. Was in der Tat nicht schwer fiel, ist doch der Turm der zweithöchste der Stadt, unübersehbar und längstens selbst Gegenstand nicht nur ästhetischer, sondern vor allem politischer Debatten. Diesmal machten die Zürcher Frauenhäuser den Tower zur Projektionsfläche für Aufrufe gegen häusliche Gewalt und schon vor seiner Fertigstellung zu einem Ort der Auseinandersetzung. Schon am Abend des 7. Dezembers 2015 war es, als wäre die amerikanische Künstlerin Jenny Holzer wieder in Zürich. Die Projektionen ihrer ‹truisms› – Binsenwahrheiten, die keine sind – vom Limmatquai auf den Lindenhof sind noch in bester Erinnerung.Die Abstimmung zur Erhöhung des Turms vom Februar 2011 verlief noch glimpflich, fast sechzig Prozent der Zürcher sprachen sich für das neue Hochhaus aus. Wipkingen votierte als einziger Stadtkreis dagegen und monierte seinen Schattenwurf auf die attraktiven Badegäste der ebenso attraktiven Badi am Unteren Letten. Solcher Protest verdüsterte die Stimmung kaum, zumal ein wenig Schatten in heissen Sommern doch auch Labsal sei.Ein Monument der IndustrieDer Bau war noch weit davon entfernt, die Wolken zu kratzen, als sich im Sommer letzten Jahres in den Medien ein Gewitter über ihm zusammenzuziehen begann. Die Quartierpolitik trat in den Hintergrund, nun kamen die grossen Themen der Politik in die Arena.Aus ökologischer Ecke kam der Vorschlag, den nackten Beton doch zu begrünen, was Eigentümer und Stadt höflich entgegenahmen, mit dem Hinweis auf die immensen Kosten aber sogleich im Schreibtisch versorgten. Weiter erstaunt es nicht, dass im Industriequartier – das man ohnehin am liebsten in Limmatquartier umbenannt hätte – der alte Konflikt von Arbeit und Kapital wieder aufbrach. So wiesen die einen Artikel süffisant darauf hin, der Getreidespeicher als gigantis...
Übeltäterei

120 Meter Sichtbeton mitten in der Stadt Zürich. Mut oder Zumutung? Psychoanalytiker Olaf Knellessen zur Kontroverse über den neuen Getreidespeicher.

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