Dach, Treppe und Handlauf schwingen munter, um den Eintritt zu inszenieren. Fotos: Gian Salis

Subtiler Schwung

Gian Salis erweiterte eine zum Konzertsaal gewordene Kirche und bringt dabei Nützlichkeit, Angemessenheit und Eleganz zusammen. Was will Architektur mehr?

Die alte Kirche in Boswil, die prominent auf einem Moränenhügel aufragt, ist schon lange keine Kirche mehr. 1890 wurde das 1664 erbaute Gotteshaus profaniert, seit den 1960er-Jahren dient es als Konzertsaal. Die Stiftung Künstlerhaus Boswil, der auch das Sigristenhaus und ein Bauernhaus gehören, organisiert darin klassische Konzerte. Während einer Festwoche im Juli platzt die Kirche jeweils aus allen Nähten. Damit die Gäste auch bei Regen im Trockenen warten können, gab die Stiftung ein Foyer in Auftrag. Ein heikles Unterfangen – die Kirche ist denkmalgeschützt, und der knappe Bauplatz liess wenig Spielraum –, das sich aber gut begründen lässt: Eine zeitgemässe Nutzung ist die beste Denkmalpflegerin.Der Architekt Gian Salis erweitert den Bestand grosszügig, ohne die Intimität des Orts zu zerstören. Zwischen Kirche und Kapelle setzt er einen gläsernen Anbau. Dieser ruht auf einem Betonbalken, der sich über mittelalterliche Fundamentreste spannt. So inszeniert Salis die Schichtung der Zeit und denkt an den Alltag: Im Inneren dient der Betonriegel als Bank, die den Raum von unten fasst. Feiner Überschwang prägt die Details. Das Dach ruht auf Holzstützen, die sich leicht bauchen. Der zentimeterdünne Dachrand hebt sich an den Ecken elegant. Die Fensterrahmen der Glasfassade wirken dank Leisten besonders schlank. Im Sommer können die beiden Fronten komplett geöffnet werden, und der Anbau reduziert sich zum Vordach.Erst wer den Raum betritt, merkt: Er ist mehr als das. Zum Eingang in die Kirche wölben sich die Lamellen der Decke auf und lassen die Gäste unter einer dramaturgischen Überhöhung eintreten. Holzklötze verbinden die verbogenen Träger steif. So überspannen sie die neun Meter mit scheinbarer Leichtigkeit. Eine Treppe aus Naturstein begleitet die Wölbung schwungvoll. Der Muschelkalk stammt aus demselben Steinbruch wie jener der alten Kirche. Die Treppe...
Subtiler Schwung

Gian Salis erweiterte eine zum Konzertsaal gewordene Kirche und bringt dabei Nützlichkeit, Angemessenheit und Eleganz zusammen. Was will Architektur mehr?

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