Das letzte städtische Haus von Zürich steht gegenüber des Schlachthofs. Die Bossen seiner Fassade sind aus dünnem Faserbeton. Fotos: Walter Mair

Kultivierter Bruch

Ist das Haus messerscharfe Oberfläche oder plastische Figur? Ist es Teil des Blockrands oder einsames Haus? Ist es Siebzigerjahre oder 2016? Lütjens Padmanabhan Architekten beweisen in Zürich Anspruch und Können.

Es riecht nach Schlachthof. Bald ziehen da Scharen von Fussballfans vorüber, grölend, Dosenbier trinkend. Die Architekten schauen auf ihr Haus an der Herdernstrasse in Zürich und freuen sich an dessen Widersprüchen. Ist es messerscharfe Oberfläche oder plastische Figur? Ist es Teil des Blockrands oder einsames Haus? Ist es Siebzigerjahre oder 2016? Der symmetrische Erker macht aus der Strassenfassade eine Figur. Kalt blickt er dorthin, wo sich Zürich ins Limmattal verliert, während hinter dem Haus die üppige Spiessigkeit einer Kleingartenkolonie wogt. Das Gebäude antwortet grau: Seine Lochfassade ist komponiert, die Aussenräume sind keine zugemüllten Balkone, sondern kantige Volumen aus Metall. Aber das Haus hat auch Humor: Auf seinem zweigeschossigen Hinterteil strecken sich die Stangen der Maschendrahtzäune zum Victory-Zeichen. Forza città!Im Innern weitet sich der Geist. Die Räume des Piano Nobile fliessen vom Bandfenster an der Strasse übers Hinterteil bis in die Kleingärten hinein. Diejenigen der oberen Geschosse beugen sich als Erker über den Strassenraum. Pfeilerscheiben aus Beton sind die Anker im Grundriss. Sie tragen das Haus und zeigen das auch neben dem weissen Wandputz. Jedes Fenster, jede Wand sitzt dort, wo der Raum es braucht, schräg oder gerade, transparent oder bergend. Doch verlangt der Raum ähnlich viel von der Bewohnerin, wie die Fassade vom Fussballfan: Eine Wohnwand wird hier keine Ecke finden, und um die Fassade zu mögen, braucht es eine geführte Kulturreise nach Florenz, besser noch zwei.Allein schon das Erkerfenster zeigt Anspruch und Können der Architekten: Wie dort das Fensterband zweimal ums Eck knickt und die Faserbeton-Bossen der Fassade als dünne Platten seziert. Wie sich das Fenster im Innern um die Brüstung schmiegt, um Innenecke und Aussenecke herum, um Tür und Pfeiler – das sind Details, die aus einem Zimmer einen Raum machen...
Kultivierter Bruch

Ist das Haus messerscharfe Oberfläche oder plastische Figur? Ist es Teil des Blockrands oder einsames Haus? Ist es Siebzigerjahre oder 2016? Lütjens Padmanabhan Architekten beweisen in Zürich Anspruch und Können.

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