Das Hochhaus ist bis auf den Rohbau ausgeweidet. Bald fliegt der Rest in die Luft. Fotos: Andres Herzog

Knall vor Fall

In der Nacht auf Freitag kommt es in Aarau zum grossen Knall. Das Hochhaus Sprecherhof wird in die Luft gejagt. Gestern erklärte Sprengmeister Walter Weber gegenüber den Medien, wie man ein Gebäude explosiv zu Fall bringt.

In der Nacht auf Freitag kommt es in Aarau zum grossen Knall. Dann wird nämlich das Hochhaus Sprecherhof auf dem Torfeld Süd gesprengt. Auf dem ehemaligen Industrieareal baut Mobimo zusammen mit GastroSocial bis 2016 das «Aeschbach Quartier Aarau». Es ist das höchste Gebäude, das in der Schweiz je in die Luft gejagt wurde. Die Vorbereitungen laufen zurzeit auf Hochtouren. Wie man ein Hochhaus «sprengtechnisch niederbringt», erklärte Sprengmeister Walter Weber gestern gegenüber den Medien. Seit November wurde am Gebäude alles demontiert, was nicht Beton oder Stahl ist. Gesprengt wird nur der blanke Rohbau. Um Sprengstoff zu sparen, schwächen die Experten die Statik gezielt. Insgesamt verbauen sie rund 75 Kilogramm Sprengstoff, die mit 1500 Zündern versehen sind. Die Sprengung erfolgt in zwei Schritten, die zwei bis drei Sekunden auseinander liegen. «Eine lange Zeit», wie Weber meinte, «wir rechnen in Millisekunden.» Erst werden die Stützen in den untersten drei Geschossen zerstört, um den Skelettbau zu Fall zu bringen. Die Schwerkraft erledigt dabei den grössten Teil der Arbeit, nicht das Sprengpulver. Die zweite Explosion kurz darauf gilt dem Treppenkern. Dieser wird in drei Abschnitte zerlegt, damit er kontrolliert umkippt und keinen Schaden anrichtet. Wenige Momente später bleibt von den 5000 Tonnen Masse nur noch ein Schutthaufen übrig.  

Gezündet wird die Sprengladung in der Nacht auf Freitag um zwei Uhr. Hornstösse künden den Knall an. Die Nachbarschaft wird grossräumig abgesperrt. Eine Person muss gar evakuiert werden. Walter Weber rechnet mit spürbaren Erschütterungen, die allerdings weit unter den erlaubten Höchstwerten liegen werden. Neben den Sprengtechnikern sind auch die Polizei und das Militär im Einsatz. Erstere sorgt dafür, dass der Verkehr trotz des Knalls rund läuft. Die Armee spritzt Wasser in die Luft, um die freigesetzten Partikel zu binden, und beleuchtet das Spektakel mit Scheinwerfern. Die Stadt rechnet mit vielen Schaulustigen. Sprengmeister Weber aber betonte: «Das ist kein Theater, das ist Arbeit.» Die Sprengung ist laut dem Fachmann ungefähr gleich teuer wie ein herkömmlicher Rückbau. Das Dynamit verkürzt das Abtragen aber um rund eineinhalb Monate und belastet die Nachbarn weniger stark mit Staub.

Ursprünglich sollte das 45 Meter hohe Hochhaus erhalten bleiben. Doch die Ansprüche der Feuerpolizei waren zu hoch und die Deckenhöhen zu tief, um die Technik für ein energieeffizientes Gebäude unterzubringen. Zudem war das Hochhaus aus den 1960er-Jahren mit Asbest belastet. Also entschied man, es durch einen neuen Turm an gleicher Stelle zu ersetzen. Dessen Architekten schauen übrigens direkt aus ihrem Atelier auf die Sprengung. Schneider & Schneider haben ihr Büro gleich ums Eck. Der Neubau wird mit rund 50 Metern etwas höher und hat eine deutlich grössere Grundfläche als der Altbau. Die geknickte Fassade sorgt dafür, dass der Turm je nach Blickrichtung dennoch schlank bleibt. Verkleidet wird er mit einem grünlichen Granitstein. Zumindest die Hülle des neuen Hochhauses dürfte beständiger sein als die Metallfassade des alten Turms. Es bleibt also zu hoffen, dass der Nachfolger nicht schon fünfzig Jahre nach der Aufrichte niedergerissen werden muss.

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