Nordportal der Gotthard-Flachbahn: Nur wenige Brücken, Tunnels, Kraftwerke, Unterführungen oder Stützmauern werden mit einem so hohen Gestaltungsanspruch realisiert. Zu wenige? Fotos: Markus Frietsch

Gestaltungsmisere Ingenieursbau? Diskutieren Sie mit!

Oft wirken Ingenieursbauten lieb- und anspruchslos. Zusammenarbeit der bauenden Disziplinen muss die Landschaftszerstörung beenden. Vier Vorschläge zur Diskussion und Tat.

Bei Prestigeprojekten wie der neuen Gotthardbahn wird Gestaltungsqualität verlangt. Bei der Vielzahl von Autobahnen, Kantons- und Gemeindestrasse, Meliorationswegen, Bahnbrücken und -tunnels aber fehlt ein systematisch durchgesetzter Gestaltungsanspruch. So wird über Jahrhunderte gewachsene Kulturlandschaft zerstört.

Das Problem ist eine Entfremdung der bauenden Disziplinen. Zu wenige Ingenieure sehen den Bau auch als gestalterische Disziplin, zu viele Architekten betrachten seine technische Seite als mühsame Rechenübung und den Ingenieursbau als hohle Betonklotzerei. Nun machen immer neue Technologien das Bauwesen aber zunehmend kompliziert. Der Schlüssel liegt also nicht im ‹uomo universale›, sondern in phantasievoller Zusammenarbeit. So selbstverständlich wie Ingenieure am Architektenbau arbeiten, müssen Landschaftsgestalter und Architekten darum an Infrastrukturen mitwirken. Vier Vorschläge zu Diskussion und Tat:

Erstens zur Ausbildung: Bildnerisches Gestalten, architektonisches Denken und eine gestalterisch betrachtende Infrastrukturgeschichte für angehende Bauingenieure und mehr Technik für Architekturstudenten. Austausch schon während dem Studium fördern.

Zweitens zum Entwurf: Architekten und Landschaftsgestalter gehören in Teams für Wettbewerbe, Ideen- und Projektentwicklungen im Infrastrukturbau. Gute Zusammenarbeit beginnt früh, nachträgliche Landschafts- und Bauwerksbehübschung ist keine Lösung.

Drittens zur Ausführung: Gestalterische Berater müssen von Anfang bis Ende dabei sein. Wenn Ingenieure nach der Querschnittsdimensionierung bloss hübsche Details anstückeln, ist wenig gewonnen. Zudem sollten baugewerblich sinnvolle Teilabschnitte nicht automatisch für die Gestalter gelten.

Viertens zur Bauherrschaft: Wo die Entscheidungsmacht liegt, ist Bewusstsein für den Wert der Baukultur nötig. Heute wird Gestaltungsqualität von Bund, Kantonen und Gemeinden, den Monopolisten im Tiefbau, als nutzloser Kostentreiber weggeredet. Das ist zynisch, wo die Ämter doch immense Summen selbst für Sekundenvorteile des Autofahrer verbauen. Ein paar optimierte Kurvenradien weniger und dafür Ressourcen und Kompetenzen für systematisch und frühzeitig eingebundene Architekten und Landschaftsgestalter.


Alles Humbug, die Ingenieursbauten sind so schön und einfühlsam in die Landschaft eingepasst wie nie zuvor? Oder ist alles noch viel schlimmer, der Ingenieursbau eine einzige Gestaltungsmisere? Wo liegt der Hund begraben und was ist zu tun? Diskutieren Sie mit!


Lesen Sie zu diesem Thema auch den ‹Lautsprecher› der Ausgabe 9/14 der Zeitschrift Hochparterre.

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