Tita Carloni 1931-2012 Fotos: rsi.ch

Erinnerung an Tita Carloni

Der Tessiner Architekt Tita Carloni ist im Alter von 81 Jahren verstorben. Köbi Gantenbein erinnert sich an «einen grossen Bärengrossvater, knurrend und gutmütig».

Tita Carloni ist gestorben. Wie bei allen Toten, an die wir denken, steigen in uns Erinnerungsbilder auf. Ich traf Tita ab und zu in Juries. Ein grosser Bärengrossvater, knurrend und gutmütig. Er führte den Diskurs und zwar gegen die hartgesottenen Architektinnen und Architekten. Natürlich mochte auch er die wohl geratene Form. Mehr aber interessierte ihn die soziale Form. Kaum einen Juror habe ich in Erinnerung, der derart profund über das Brauchen und den Nutzen reden konnte. Ihn interessierten beim Projekt für ein Bürohaus die Spielräume, die ein Raum der Arbeitsorganisation gab ebenso wie er zu bedenken gab, welche Schwierigkeiten eine problematische Raumorganisation für die Putztruppen bedeuten würde. Er setzte sich ein für Frei-, Gesprächs- und Flanierräume im und ums Haus. Sein architektonisches Urteil lehnte er ans fortschrittliche Brauchen und die lange Tradition des Bauens und Lebens im Alltag an. Hitzig diskutierte eine Jury lange vor der Minergie-Eco-P-Zeit die Vernunft und die Kunst des Isolierens. Tita Carloni holte seinen Mantel von der Garderobe und erläuterte der Jury den Unsinn eines vollkommen zugenähten Mantels, aus dem weder Arme, noch Kopf noch Beine herausschauen. Und das Haus sei doch ein Mantel für den Mensch, er müsse Luft atmen können, die nicht durch eine Maschine komme und er müsse Durchzug haben im Haus und im Kopf. Das Haus als Mantel brauche Löcher, die zu- und aufgeknöpft werden können. Kurz - ein abgedichtetes Haus sei ein menschen- und lebensfeindliches Haus. Tita Carloni war aber keineswegs ein Umweltsünder, sondern sang neben dem Lob auf den Mantel das Lob auf den Pullover. Und in meiner Erinnerung bleibt das Bild, wie er nach dem Mantel den Pullover holte, ihn anzog und meinte, dass Komfort nicht in der Haustechnik alleine stecke, sondern auch im Können der Strickerinnen. Das vollkommen isolierte Haus flog schliesslich aus der Rangierung.

Biografie

Tita Carloni eröffnet 1956, nach dem Studium an der ETH Zürich, mit Luigi Camenisch ein Architekturbüro in Lugano. Aus dieser Zusammenarbeit stammen unter anderem die «Casa Balmelli» in Rovio und der «Palazzo Bianchi» in Lugano. In den 1960er und 1970er Jahren erlebte Carloni eine intensive Schaffensphase. Er baute die Wohnhäuser in der Via Beltramina in Lugano (1965), das OSCT-Gebäude in Lugano (1970), die Grundschule in Stabio (1974) und, in Zusammenarbeit mit Luigi Snozzi und Livio Vacchini, das OTAF-Institiut in Sorengo (1971). Carloni verband die praktische Arbeit mit einer theoretischen Reflexion und dem Studium der Architekturgeschichte. Von 1968-1991 lehrte er an der Architekturschule der Universität Genf. Als Mitglied des Partito Socialista Autonomo nahm Carloni aktiv am politischen Leben im Tessin teil. Zu seinen jüngsten Bauten gehören die Autobahn-Tankstelle Stalvedro bei Airolo (1987, in Zusammenarbeit mit Roberto Nicoli ) und die Restauration der Kirche «San Battista» in Gnosca. (Quellen: Radio Televisione Svizzera Italiana, Architektenlexikon der Schweiz)

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