Entwurfserfahrung und -inspiration, Überzeugung und Arbeitsweise – um all das geht es im Entwurfssemester. Fotos: Fondo Marín, Paco Marí

Die Wahl

Bald startet wieder das neue Semester der Architekturstudierenden an der ETH. Die Wahl des Entwurfsthemas ist auch die Wahl eines Professors und seiner Ideologie.

Die letzte Woche der Prüfungssession ist angebrochen. Das 'dritte Semester' des Studienjahres – die Prüfungen nach zwei Semester Entwurf – geht zu Ende. Zwei Wochen Ferien warten auf uns, bevor wir Mitte September ins Herbstsemester starten werden: Neuer Entwurf, neue Vorlesungen, neues Glück.
Um die 15 Entwurfskurse stehen uns Architekturstudierenden ab dem fünften Semester zur Wahl: 15 Entwurfsprogramme, 15 Professuren. Welches Wissen und Können und welche Erfahrungen wir nach rund zehn Entwürfen an der ETH in unser Berufsleben mitnehmen, dürfen wir damit zu einem relativ grossen Teil selber bestimmen. Dabei geht es nicht bloss um neue Entwurfserfahrungen und -inspirationen, sondern auch um die Überzeugungen und die Arbeitsweise der Professur. Der Entscheid für einen Entwurfskurs ist dabei immer auch ein Entscheid für eine Person und deren Einstellung zur Architektur: Von wem will ich mir etwas beibringen lassen, wessen Ideologie entspricht mir und/oder interessiert mich?
Doch ist es richtig und gut, dass der Professor oder die Professorin als Person ein so wichtiger Faktor bei der Wahl des Entwurfskurses ist? Sollten wir nicht den Schwerpunkt auf die Thematik, das Programm, die Struktur, den Kontext legen? Wäre es nicht besser, den Subjektivismus und die Willkür, welche die Lehre durch Individuen mit solch starken Meinungen mit sich bringt, zu eliminieren? Ist es denn wichtig, von wem wir etwas lernen?
Die Mehrzahl von uns Architekturstudierenden strebt eine praktische Tätigkeit als Architekt oder Architektin an. Da ist es naheliegend, dass wir von in diesem Beruf tätigen Menschen lernen, wie wir Architektur machen können, auch machen sollen. Architektur ist eine Disziplin, die wir nicht nur aus Büchern lernen. Der Mensch als soziales Individuum, als Teil der Gesellschaft, für die wir Architektur bauen, steht im Zentrum. Der Architekt ist auch Mensch.
Verschiedene Menschen machen verschiedene Erfahrungen, nehmen verschieden wahr, ziehen verschiedene Schlussfolgerungen, finden verschiedene Lösungen. Wir als Studierende haben fünf Studienjahre, um unsere Ansichten als Mensch in eine Haltung als Architekt oder Architektin zu übersetzen. Dafür ist das Kennenlernen unterschiedlicher Überzeugungen sehr wichtig. Auch wenn die Subjektivität der Architektur für uns, die der Bewertung anderer ausgeliefert sind, manchmal schrecklich mühsam sein kann: Eben gerade dieses Menschliche ist es doch, was viele von uns dahin gebracht hat, wo wir jetzt sind – auf dem Weg zum Beruf des Architekten.

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