Vorbereiten der Nährlösung für den Kombucha-Pilz. (Foto: Benjamin Bichsel)

Bioleder züchten

Aus Teepilz Bioleder züchten – dafür machten die Industrial-Design Studierenden Nadia Zoller und Benjamin Bichsel ihr Atelier an der Hochschule für Gestaltung und Kunst FHNW in Basel zum Labor.


Entstanden sind 58 verschiedene Ledermuster mit unterschiedlichen Strukturen und Farben.


Der saure Essiggeruch gehört ebenso zu unserem Projekt wie die skeptischen Blicke unserer Mitstudierenden. Zugegeben, dass aus dem glibberig-blassen Kombucha-Pilz ein Textil entsteht, braucht einiges an Vorstellungskraft. Das Verfahren unterscheidet sich komplett von der herkömmlichen Textilproduktion. Aber gerade deshalb ist die Lederalternative für uns als Designerin und Designer so spannend.

Kombucha ist ein Teepilz, der in China schon seit mehr als 2000 Jahren bekannt ist. Nun findet er langsam auch seinen Weg nach Europa, zum Beispiel als proteinreiches Getränk. Das Rezept aus Kombucha Bioleder zu züchten stammt von der amerikanischen Mode-Designerin Suzanne Lee. Es braucht dazu lediglich vier Zutaten: Tee, Zucker, Essig und eine Kombucha-Kultur. Schon hier wird klar wie ressourcenschonend die Herstellung ist. Im Gegensatz zur herkömmlichen Textilindustrie werden keine Chemikalien benötigt und es bleibt keinerlei Abfall zurück.

Wie entsteht das Bioleder? Wenn die Pilz-Kultur in der Nährlösung liegt, wachsen schon bald Zellulosefäden vom Mutterpilz an die Oberfläche. Nach zwei bis drei Wochen hat sich aus den Fäden eine dichte, glitschige Matte gebildet, die geerntet und getrocknet werden kann. Beim Trocken nimmt die Dicke des Pilzes um mehr als 90 Prozent ab, zurück bleibt ein lederartiges Textil.

Insgesamt haben wir 58 verschiedene Bioledermuster produziert. Während eines halben Jahres haben wir mit unterschiedlichen Zusätzen, wie zum Beispiel Cochenille und Bier, experimentiert. Wir haben festgehalten, wie sich die Zusätze auf Farbe, Struktur, Elastizität, Geruch, Wachstum und Belastbarkeit des Materials auswirken. Der Unterschied vom frisch geernteten Pilz zum getrockneten Zustand ist riesig. Durch diesen Schritt wurden oftmals vielversprechend aussehende Ernten unbrauchbar oder umgekehrt.

Bald wurde klar: das Potenzial von Bioleder ist unglaublich! Das Wachstum funktioniert selbstständig und ohne Licht. Wie Stoff ist das Material leicht und natürlich einzufärben, mit nur einem Bruchteil der Farbe, die für herkömmliche Textilien notwendig ist. Zudem ist das Material biologisch abbaubar und kann mit natürlichen Fasern verstärkt werden. Auch in dickeren Schichten bleibt es transluzent. Im Vergleich zu tierischem Leder weist es eine ähnliche Zugfestigkeit auf, ist aber viel einfacher zu vernähen. Zudem kann Bioleder direkt im Schnittmuster wachsen, denn es nimmt automatisch die Grundfläche des Zuchtgefässes an. Es kann bedruckt, genäht, gelasert, armiert, oxidiert, geflochten, geformt, gefettet werden.

Eine Herausforderung bleibt: Obwohl wir eine Lösung gefunden haben, das Kombucha-Leder auf natürliche Art wasserabweisend zu machen, nimmt es Wasser, im gasförmigen Zustand, nach wie vor auf. Bei hoher Luftfeuchtigkeit wird es deshalb weich und klebrig, bei niedriger spröde und rissig.

Zum jetzigen Zeitpunkt ist Bioleder noch keine ebenbürtige Alternative zu Textilien. Dennoch sind wir von seinen Vorzügen überzeugt und glauben nach unserem Abschluss ein passendes Anwendungsfeld für das Material zu finden.

* Benjamin Bichsel und Nadia Zoller studieren im 6. Semester Industrial-Design an der Hochschule für Gestaltung und Kunst FHNW in Basel.

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Kommentare

 19.06.2023 17:32
An Benjamin und Nadja, muss ich die Frage stellen, wie weit seit ihr mit der Brüchigkeit und der Wasserdichtheit. Bin auch etliches am ausprobieren, leider noch erfolglos. Liebe Grüsse Trix
Trix Hofer 19.06.2023 17:27
Hallo Andrea, ich habe auch schon etliche Sachen ausprobiert, hast du inzwischen eine Lösung gefunden? Liebe Grüsse Trix
andrea 28.04.2017 17:07
Da ich noch nicht das haptische Vergnügen hatte... klingt - nein - toent nach Yūgen, einer fast metphysischen Dimension von Design, in seiner Art schlicht Wabi- Sabi ! Gratuliere herzlich. andrea
andrea 28.04.2017 17:07
Da ich noch nicht das haptische Vergnügen hatte... klingt - nein - toent nach Yūgen, einer fast metphysischen Dimension von Design, in seiner Art schlicht Wabi- Sabi ! Gratuliere herzlich. andrea
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